Interview mit Andreas-Michael Reinhardt, Präsident von LEMnet Europe e.V., Jena/Berlin
Von Elektromobilisten für Elektromobilisten – so könnte das Motto von LEMnet lauten. Das LEMnet ist bereits die umfassendste europäische Datenbank von öffentlichen und privaten Stromtankstellen für Elektrofahrzeuge. Seit 1997 schon ist LEMnet online und ebenso lange offen für alle Anbieter, Betreiber und Nutzer von Elektromobilen. Ende März 2012 folgte nun angesichts der wachsenden Herausforderungen, die der Ausbau der Elektromobilität europaweit mit sich bringt, die Gründung des gemeinnützigen Vereins LEMnet Europe e.V. Als internationales Non-Profit-Projekt wird es von dem Stromtankstellenbetreiber Park & Charge, Sponsoren und Fahrer-Organisationen getragen. Wir sprachen mit dem designierten Präsidenten Andreas-Michael Reinhardt.
eMobilitätOnline: Am 26. März dieses Jahres wurde der Verein LEMnet gegründet mit dem Ziel, Nutzerinnen und Nutzern von Elektrofahrzeugen mittels einer Onlineplattform das Finden von Ladesäulen zu erleichtern. Wie viel Vorbereitungsarbeit steckt in diesem ambitionierten Projekt, das sich zur Aufgabe gemacht hat, einen möglichst umfassenden Überblick auf die europäische Ladeinfrastruktur zu geben?
Andreas-Michael Reinhardt: Die Verabredungen zwischen unseren Schweizer Kollegen von Park & Charge und uns im Bundesverband Solare Mobilität e.V. (BSM) reichen weit zurück ins Jahr 2011 und nahmen ab Oktober an Fahrt auf. LEMnet.org ist seit 1997 ein Elektro- und Community-Projekt und vereint mehr als 2.000 Fahrerinnen und Fahrer von Elektrofahrzeugen grenzüberschreitend. Die Erkenntnis, dass immer mehr Elektrofahrzeuge auch höhere Reichweiten dank moderner Elektrofahrzeuge und besserer Batterien zurücklegen und auf Ladeinfrastruktur-Informationen umso mehr angewiesen sind, gab den Ausschlag und ebenso die Tatsache, dass wir jetzt trotz leistungsfähigem Internet-Server und vorbildlichem Engagement von unseren Sissacher Dreifels-Kollegen angesichts sprunghaft gestiegener Abfragen pro Tag eine leistungsfähige Web 3.0 Lösung brauchen. Fast 4.000 Energieabgabestellen sind mittlerweile eingetragen. Die Webseiten-Zugriffe lagen im fünfstelligen Bereich täglich. Das zwang uns jetzt zum Handeln. Die Herausforderungen wuchsen, die Leistungsfähigkeit der LEMnet-Verantwortlichen ist jetzt im Grenzbereich. Nachhaltige Positionierung und mehr finanzielle und organisatorische Unterstützung sind noch notwendig, zumal es jetzt aufgrund der politischen Entscheidungen der EU-Länder zur Elektromobilität ein Europa-Projekt geworden ist.
Deshalb die Gründung von LEMnet Europe e.V. unter Einbindung unserer schweizer Kollegen und der anderen Pioniere.
Welche Informationen stellt der Onlineservice bereit?
Bekannt sind die konkreten Angaben über die jeweilige Energieabgabestelle vor Ort mit genauer Angabe über Straße/Platz und Hausnummer und die spezifischen Geo-Koordinaten. Zum Beispiel: “GPS = 50.977119, 11.024915“. Ebenso Angaben über Lade-Modi und den Betreiber und die Zugangsvoraussetzung zum Ladepunkt bzw. zur Ladesäule: Zum Beispiel: „ 2 Steckdosen (2x Typ2 400V/16A, Sicherung nicht von außen zugänglich) / Erwerb RFID-Karte über SWE Energie GmbH, Kundenservice, Magdeburger Allee 34, 99086 Erfurt (Nutzungsvereinbarung herunterladen auf www.stadtwerke-erfurt.de); Pfand für die Karte 10 EUR für Kunden der SWE, Nichtkunden zusätzlich einmalig 40 Euro / Stromkosten: mindestens bis zum 30.09.2012 kostenfrei. / Parken: kostenfrei / Standort: gegenüber vom Gerichtsgebäude (großes älteres Gebäude, an der Straße zum Petersberg, gegenüber Parkhauseingang Petersberg“
Daneben geben uns einige Betreiber bzw. auch (private) Anmelder noch allgemeine Informationen bekannt, welche wir meistens auch veröffentlichen. Zum Beispiel:
„Essen: vielfältige kulinarische Möglichkeiten rund um den Domplatz, Restaurants und Imbiss / Schlafen: Pension am Dom (Lange Brücke 57), Hotel Garni Am Domplatz (Andreasstraße 29), Pullman Erfurt am Dom (Theaterplatz 2) / Interessant: Erfurter Dom, Severikirche, Petersberg, Fischmarkt, Krämerbrücke. Hinweis: Mitglied bei Ladenetz.de“
LEMnet hat sich als gemeinnütziger Verein organisiert. Wer sind die Mitglieder und wie beteiligen sie sich an diesem Projekt?
Beteiligt sind als ordentliche Mitglieder die Schweizer Kollegen um Eduard Stolz, BSM-Kollegen und Elektrofahrzeugfahrer, Kollegen aus dem Umfeld von Universitäten wie Friedrich-Schiller-Universität Jena, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Kollegen und Mitglieder von B.A.U.M. e.V., Kollegen aus der Forschung und aus dem Bereich GreenTech. Wir hoffen, dass wir zahlreiche Fördermitglieder begrüßen können aus den Bereichen Infrastruktur und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), ebenso wie Energie-, E-Mobility-, Service- und Telematik-Dienstleister und Produktanbieter, denn es geht darum, LEMnet als „die“ Meta-Plattform für diskriminierungs- und barrierefreie Grund- bzw. Basis-Informationen und Daten rund um Energieabgabestellen für Elektrofahrzeuge (EV) europaweit nachhaltig zu etablieren. Wir werden uns zum Oktober hin einer breiteren Öffentlichkeit gerne einmal vorstellen, wenn einige erste Projekte und Meilensteine abgearbeitet sind. Wichtig ist mir aus Sicht des Vereins unser Verständnis zum Thema „Grundrecht der Bürger auf Grundversorgung mit relevanten Daten und Informationen zu Energieabgabestellen für EVs“, was es nachhaltig abzusichern gilt und auch nicht selbstverständlich ist. Ich gestatte mir den Hinweis an dieser Stelle auch auf das „Bürgerrecht zur informationellen Selbstbestimmung“. Deswegen werden wir Daten nur soweit erheben und zur Verfügung stellen, wie es absolut notwendig ist. Jedoch weitere Daten zu erheben und zu verarbeiten, das ginge über LEMnet und sein Anliegen weit hinaus. Das soll der Fahrer und die Fahrerin selbst verabreden und mit Dritten vereinbaren, wenn er oder sie das mögen. In diesen Überlegungen sind wir uns als engagierte Vereinsmitglieder einig. Wir fokussieren uns in den nächsten Monaten auf ein neues Datenmodell und eine neue IT-Architektur und ein überarbeitetes Redaktionssystem. Zuverlässigkeit der Daten, deren Integrität und deren Hochverfügbarkeit 365/12/24, darin sind wir uns einig, hat höchste Dringlichkeit. Wir müssen uns hier der gestiegenen Nachfrage und den Anforderungen stellen und diesen auch genügen. Auch wollen wir über Daten-Schnittstellen die IT-Prozesse mit den Navigations-Applikationen verbessern. In diesen Bereichen haben unsere Mitglieder ebenfalls Kompetenzen und bringen sich engagiert ein. Noch ein Hinweis zur Zielsetzung des Vereins. So heißt es in unserer Satzung auch:“ Der Verein führt den Namen LEMnet Europe – Europäischer Verein zur neutralen Information über europäische und internationale Ladeinfrastruktur für alle Elektro-Fahrzeuge (ISO Kategorien L, M und N). Als Kurzform wird der Name „LEMnet Europe“ geführt.“
Die möglichen Mehrwertdienste, welche viele Szenarien zur elektrischen Mobilität andeuten bzw. viele Dienstleister rund um Navigationsdienste schon heute abbilden – welche oftmals die Grunddaten bereits von LEMnet.org beziehen – sind Verabredungen zwischen Anbieter und Kunden, welche auf kommerzieller Basis dann getroffen werden. Da ist LEMnet außen vor, das ist dann Sache des Marktes und der Wettbewerber.
Wenn ich gerade mit dem Gedanken spiele, mir ein Elektroauto zuzulegen, ist die Ladeinfrastruktur eine wichtige Frage. Wie viele Ladesäulen stehen bereits in Deutschland und Europa?
Eine nicht leicht zu beantwortende Frage, denn LEMnet kann das nur abbilden, was uns Interessierte, ob Anbieter und Betreiber von Ladesäulen oder Fahrerinnen und Fahrer von Elektrofahrzeugen bzw. die „LEMnet-Community“ mitteilen. Unser Redaktionssystem ist bekannt. Doch gehört es zu den Herausforderungen, die jeweilige Anmeldung einer neuen Ladesäule auch zu überprüfen aus Kunden- bzw. Nutzersicht, denn oftmals fehlen Angaben oder die übermittelten Informationen sind leider doch nicht exakt und eindeutig, wie es sich der Fahrer oder die Fahrerin wünschen und gelegentlich auch „schmerzlich“ vor Ort feststellen müssen, weil Ladesäule und Fahrzeug-Ladekabel unvereinbar sind. Wir werden bald die 4.000. Energieabgabestelle im LEMnet vermelden können, welche uns bekanntgegeben wird. Ich bin gespannt, wer der Anmelder ist und wo der “ Point of Charge“ sich in der LEMnet-Map verorten wird. Deutschland zählt weit über 1600 Energieabgabestellen für EV, die Schweiz verzeichnet im LEMnet über 600 Ladesäulen. Österreich belegt derzeit Rang 3 mit knapp 400.
In welchen Regionen in Deutschland gibt es bereits ein verhältnismäßig breites Netz an Ladesäulen, welche Regionen haben noch Nachholbedarf?
Signifikant sind die Einträge im LEMnet.org in den Regionen, wo die Bundesregierung in den letzten Jahren Modellregionen zu Themen der Elektromobilität gefördert hat, also 15 Regionen von den Bundesministerien für Verkehr, Wirtschaft, Umwelt und Forschung unterstützt, dazu kommen dann die Landesprogramme z. B. in Bayern. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Hamburg, Berlin und Mitteldeutschland. Wichtig sind neben den öffentlichen EV-Ladestationen auch die halböffentlichen. Selbst private Ladestationen zählen wir bereits. Rund 1.200 bilden wir bereits in www.lemnet.org ab.
Welches europäische Land ist derzeit führend, was die bestehende Ladeinfrastruktur sowie den Ausbau betrifft?
Wir wissen, dass viele europäische Länder und auch die Metropolen in solchen Staaten umfassend in die Ladeinfrastruktur investieren wie zum Beispiel Frankreich und speziell in Paris oder Großbritannien und dort in London oder Niederlande mit Amsterdam, um Beispiele zu nennen. Die Frage ist, ob wir es schaffen, die Beteiligten zu motivieren, alle Ladesäulen auch in qualifizierter Form einzutragen, konform den Ansprüchen der Elektrofahrzeugfahrer und – fahrerinnen. Diesem Thema gilt ebenfalls seitens LEMnet e.V. unsere volle Aufmerksamkeit.
Wie kann ich als Autofahrer den Service von LEMnet nutzen, wenn ich während der Fahrt bemerke, dass mein Akku schwach wird?
Viele unserer LEMnet-Kooperationspartner integrieren unsere einmal am Tag aktualisierten Daten in ihre Navigationsanwendungen, welche dann mittels Smartphones vieler Hersteller und Applikationsanbieter oder in Navigationsgeräten führender Hersteller den „Autofahrern“ bzw. besser den Elektromobilisten zur Verfügung stehen. Die Herausforderung besteht jedoch bei einigen Kooperationspartnern darin, unsere LEMnet-Daten zuverlässig und korrekt zu verarbeiten und dann auch in Navigationshilfen fehlerfrei anzuzeigen.
Eine persönliche Frage zum Schluss: Fahren Sie selbst ein Elektroauto?
Ich nutze gelegentlich ein Elektrofahrzeug, überwiegend in Berlin, wo wir vor Ort im C.E.E.-Center Erneuerbare Elektromobilität, in der Wilhelmstr. 92, auch eine eigene Ladesäule von Park & Charge haben und demnächst eine zweite von einem anderen Betreiber errichtet wird. Daneben existiert genau gegenüber, in der Wilhelmstr. 93, ein breites Angebot an Elektrofahrzeugen von „Lautlos durch Deutschland“, mit denen wir neben vielen Anderen auch kooperieren. Im Übrigen bin ich als Bahncard-Inhaber viel intermodal in Deutschland unterwegs und leihe mir EVs aus, wenn es passt von der Reichweite her. Eine private Anschaffung eines Elektrofahrzeugs ist in Vorbereitung. Was ich ausgewählt habe, erzähle ich Ihnen gerne bei anderer Gelegenheit.
Vielen Dank für das Interview!
Kontakt:
LEMnet Europe e.V., Jena/Berlin
URL: www.lemnet.org