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Univ-Doz. Dr. Daniel Watzenig
Virtual Vehicle

Univ-Doz. Dr. Daniel Watzenig

Interview mit Univ.-Doz. Dr. Daniel Watzenig vom Grazer Forschungszentrum VIRTUAL VEHICLE

 

Die Elektromobilität bahnt nicht nur den Weg zu einer nachhaltigen Mobilitätswende, sie eröffnet auch vielfältige Möglichkeiten, innovative Technologien und Konzepte in Fahrzeuge zu integrieren. Das international renommierte Grazer Forschungszentrum VIRTUAL VEHICLE beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit diesen neuen Möglichkeiten und entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Forschung und Industrie zukunftsfähige Fahrzeugkonzepte.

 

eMobilitätOnline: Herr Dr. Watzenig, können Sie uns kurz das Forschungszentrum VIRTUAL VEHICLE vorstellen? Seit wann beschäftigt sich Ihr Institut mit Elektromobilität?

 

Dr. Watzenig: Das VIRTUAL VEHICLE ist ein international führendes Forschungszentrum in Graz/Österreich, das leistbare, sichere und umweltfreundliche Fahrzeugkonzepte für Straße und Schiene erforscht und entwickelt. Das wesentliche Element unserer industrienahen, angewandten Forschung ist die enge Verknüpfung von numerischer Simulation und experimenteller Absicherung. Dabei beschäftigen wir uns mit umfassender Simulation und Validierung auf Komponenten- und Gesamtfahrzeugebene. Mit dem Thema Elektromobilität beschäftigen wir uns seit über 8 Jahren, um zukünftige elektrische und teilelektrische Fahrzeuge sicherer, energieeffizienter und emissionsärmer zu machen. Schwerpunkte liegen in den Bereichen alternative Antriebsstrangkonzepte und -simulation, Leichtbau, Komponentenelektrifizierung, Thermalmanagement, Batterieforschung und integrale aktive und passive Fahrzeugsicherheit.

 

Inwieweit wird die Elektromobilität das Autofahren verändern oder gar revolutionieren?

 

Mit E-Fahrzeugen wird geräuscharmes und „lokal“ emissionsfreies Fahren ermöglicht, was vor allem beispielsweise für Ballungszentren und Mega Cities oder Umweltzonen wie in London oder München von sehr hoher Bedeutung ist. Darüber hinaus kann dank der intelligenten Regelungs- und Steuerungssysteme in einem E-Fahrzeug das Fahrverhalten auf Knopfdruck geändert werden. Das heißt für den Kunden wird es noch leichter möglich, ein Öko- und Fun-to-drive-Fahrzeug in einem zu haben. Außerdem wird durch intelligente Lösungen wie beispielsweise „Torque-Vectoring“ vor allem die aktive Sicherheit des E-Fahrzeugs erhöht. Das Torque-Vectoring verteilt gezielt individuell die unterschiedlichen Antriebsmomente auf die einzelnen Räder. Dies eröffnet vielfältige Verbesserungsmöglichkeiten für das Fahrverhalten, den Fahrspaß und die Sicherheit. Vernetzte Fahrzeuge können und sollen möglichst zeitnah einen Nutzen für die Gesellschaft bringen. Das VIRTUAL VEHICLE ist seit längerem Partner in einem Forschungsprojekt mit einem renommierten deutschen OEM, in welchem neue Technologien und Konzepte in der Fahrzeug-Fahrzeug- und der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation gezielt für die Effizienz und Sicherheit des Verkehrs eingesetzt werden – wie beispielsweise einem „intelligenten Baustellenwarner“.

 

VIRTUAL VEHICLE hat den Begriff des Information Harvesting geprägt, einer intelligenten, multifunktionalen Cloud-Lösung. Was können wir uns genau darunter vorstellen? Welche neuen, nützlichen Anwendungen erleichtern das Autofahren?

 

Am VIRTUAL VEHICLE arbeiten wir intensiv am E-Fahrzeug der Zukunft, dem sog. „Computer on wheels“. Dieses besitzt eine zentralisierte und Cloud-basierte Kommunikationsarchitektur. Aufgrund der raschen Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist eine Vielzahl von externen Informationsquellen, die sog. „Data Cloud“, für das Auto zugänglich. Dazu gehören Internet, Infrastruktur, andere Fahrzeuge, Temperaturdaten, Feinstaubdaten, Satellitennavigationssystem und vieles mehr. Anhand externer Information wie der bevorstehenden Strecke und des abgeleiteten Geschwindigkeitsprofils können die Betriebszustände des Fahrzeugs vorhergesagt werden. Dadurch ist es möglich, unterschiedliche Routen vorzuschlagen, woraus dann die optimale Route ausgewählt werden kann. Dieser Prozess ist ein Optimierungsprozess und die Güte der Optimierung hängt direkt von der Qualität der Voraussage ab. „Die geschätzte Zukunft“ wird präziser, vor allem durch die Berücksichtigung zusätzlicher relevanter Informationen. Das Ziel des „Information Harvesting“-Ansatzes ist daher, dem Fahrzeug immer die notwendige Information zur Verfügung zu stellen und dadurch den zukünftigen Fahrzeugbetrieb zu optimieren. Die optimale Gangwahl bei Automat-Getrieben ist ein weiteres Beispiel zur effizienteren Gestaltung des Fahrzeugmanagements. Als Nutzen erreicht der Fahrer das Reiseziel schneller mit weniger Verbrauch, beziehungsweise wird die Reichweite des Fahrzeugs erhöht. Durch Berücksichtigung der Wetterinformation und optimale Ansteuerung des Klimatisierungssystems kann auch der Klimakomfort beim Fahren erhöht werden.

 

 

Das intelligente Energiemanagement soll den Energieverbrauch des Elektroautos reduzieren, gleichzeitig sollen mehr Funktionen und Informationen zur Verfügung stehen. Wie funktioniert das?

 

Durch Information Harvesting weiß man sowohl mehr von der Außenwelt, als auch mehr über den Operationszustand des Autos. Auf dieser Basis kann eine energieeffiziente Route für das Fahrzeug ermittelt werden. Dabei ist nicht nur die Länge der Strecke entscheidend, auch Informationen zur Topografie, zu Wetter und Verkehr beispielsweise spielen eine wichtige Rolle. Aufgrund der vorausschauenden Strategie können empfindliche Komponenten und die Kabine mit relativ geringer Leistung auf eine ausreichende Dauer „vorkonditioniert“ werden. Dadurch können potentielle Komponentenschäden beziehungsweise -ausfälle bei ungünstiger Betriebstemperatur sowie Energieverluste bei hoher Stromlast vermieden werden. Als Ergebnis genießen die Insassen hohen Klimakomfort bei optimalem Energieverbrauch. Das übergeordnete Ziel ist ein intelligentes und adaptives Energiemanagement, unabhängig von der Fahrtstrecke und der Fahrsituation! Aktuell kann dies nur durch verbesserte Steuergeräte wie Multi-Core Systeme im Fahrzeug gelöst werden. Am 6. Juni 2013 wird ein europäisches Projekt mit über 100 Partnern aus Industrie und Wissenschaft zu diesem Thema mit einem Volumen von rund 100 Mio. Euro eingereicht. Dies unterstreicht die Aktualität und den Bedarf an Lösungen für zukünftige IKT Systeme im Fahrzeug.

 

Bei allen positiven Aspekten: Werden die Menschen durch die zunehmende Vernetzung und Datenflut nicht auch zu "gläsernen Autofahrern"?

 

Nein, der Vernetzungsgrad des Zielsystems mit öffentlicher Datenquelle wie dem Internet beispielsweise ist bei weitem nicht so hoch wie bei einem herkömmlichen Smartphone. Außerdem können Datenschutzkonzepte für internetfähige mobile Geräte einfach auf das Zielsystem übertragen werden. Bei VIRTUAL VEHICLE wird der Fokus darauf gelegt, den Umgang mit verfügbarer Information geschickt zu gestalten, um Sicherheit und Privatsphäre zu gewährleisten. Sämtliche externe Informationen, welche Einfluss auf den Betriebszustand des Fahrzeugs haben, sind sicherheitsrelevant. Diese Informationen müssen bei der Übertragung verschlüsselt werden, um private Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Die Schlagwörter dazu lauten „Security“ und „Privacy“.

 

In Deutschland läuft der Absatz von Elektrofahrzeugen noch sehr schleppend und die Elektromobilität hat sich noch nicht in erhofftem Maße etabliert. Wie beurteilen Sie die Situation in Österreich?

 

Ähnlich wie in Deutschland, kämpft die E-Mobilität in Österreich mit der Kundenakzeptanz. Dies liegt vor allem am Preis und der Reichweite der Fahrzeuge.

 

Eine persönliche Frage am Schluß: Fahren Sie selbst ein Elektroauto?

 

Ich fahre den Citroen C-Zero des VIRTUAL VEHICLE regelmäßig und gerne.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Mehr Informationen zu VIRTUAL VEHICLE finden Sie hier.

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