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Dr. Jens Weinmann
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Dr. Jens Weinmann

Interview mit Dr. Jens Weinmann, Projekt-Manager beim Marktmodell Elektromobilität

 

Studien zur Elektromobilität gibt es dieser Tage viele in Deutschland – und meist hört man nach ihrem Abschluß nur noch wenig darüber. Dabei kann es interessant sein, zu erfahren, wie an mittlerweile beendeten Forschungsprojekten beteiligte Wissenschaftler ihre Studien im Hinblick auf die aktuelle Situation bewerten. "Marktmodell Elektromobilität" (MMEM) war Teil der Begleitforschung Elektromobilität, die vom Umweltministerium finanziert wurde. Aufgabe war es, eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie eine volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung verschiedener Politikmaßnahmen zum Thema Elektromobilität durchzuführen Das Forschungsprojekt wurde Ende 2011 abgeschlossen, doch haben die Ergebnisse nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Wir sprachen mit Dr. Jens Weinmann, als damaliger Projektmanager zuständig für die Ladeinfrastruktur und Simulation des Elektrizitätssektors, wie sich die Ergebnisse der Studie aus heutiger Sicht präsentieren.

 

eMobilitätOnline: Können Sie uns einen kurzen Überblick auf die Beweggründe des Forschungsprojektes MMEM, die Teilnehmer und den Verlauf der Studie geben?

 

Dr. Jens Weinmann: Bei MMEM spielte der volkswirtschaftliche Ansatz die Hauptrolle. Die Idee war, dass man eine Business School, in unserem Fall die European School of Management and Technology (ESMT), beauftragt, die womöglich eine andere Sichtweise auf Elektroautos hat als andere Institute und die technischer an die Materie herangeht. Entsprechend bestand das Projektteam vor allem aus Ökonomen und Ingenieuren. Als Blueprint für das Anfangsmodell diente ein vom Rocky Mountains-Institut entwickeltes Modell, das sich mit verschiedenen Ladeszenarien beschäftigte. Das haben wir im Laufe der Modellentwicklung ziemlich umgekrempelt und daraus ein sehr dynamisches Modell gemacht, das dem Standard von verkehrsökonomischen Modellen entspricht. Es wurde keine Befragung durchgeführt, sondern eine Metaanalyse von verschiedenen Befragungen zur Attraktivität von bestimmten Charakteristika von Elektroautos. Wir haben dadurch eine synthetische Nutzenfunktion für einen potentiellen Käufer entwickelt. Es wurde dabei eine Nachfrage anhand entsprechender Kriterien der Elektroautos und der Rahmenbedingungen simuliert, die dann in bestimmte Käuferanteile für Elektroauto-Typen in Bezug auf Technologie und Fahrzeugsegment umgesetzt wurde. In die Kosten-Nutzen-Analyse und die volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung ging ein, welche Kosten die einzelnen Akteure innerhalb dieser Konstellation zu tragen hätten und welche Arbeitsplatzeffekte dies mit sich brächte.

Ich halte das Vorgehen immer noch für aktuell, da sich seitdem wenig verändert hat, also kaum neue Elektroauto-Modelle auf den Markt gekommen sind, wodurch sich für diesen Bereich Verschiebungen ergeben hätten. Eher ist das Gegenteil der Fall: Da der Hype um Elektroautos mittlerweile ein wenig verklungen ist, denke ich, dass unsere damaligen Schätzungen zu optimistisch sind. Wir kamen für das Jahr 2020 auf 462.000 verkaufte Elektrofahrzeuge. Das ist weit entfernt von der Millionenmarke, die sich die Politik wünscht. Und auch seitens der Hersteller muss da noch einiges passieren, dass die Menschen sich Elektroautos kaufen wollen. Das Referenzszenario beinhaltet Plug-in-Hybride, Fahrzeuge mit Range-Extendern und reine Elektroautos, wobei letztere durch den Kosten- und Reichweiten-Nachteil auch über das Jahr 2020 hinaus noch einen marginalen Anteil bilden werden. Die sogenannten milden Hybride wie der Toyota Prius werden noch lange Zeit den Massenmarkt beherrschen, wobei die Technologien, z.B. die Start-Stopp-Technik, auch schon verschwimmen mit denen der konventionell betriebenen Fahrzeuge.

Ich denke, Plug-in-Hybride sind keine schlechte Variante und auch für den Stadtverkehr gut geeignet. Fahrzeuge mit Range-Extendern sind immer noch sehr teuer und weisen häufig, abgesehen vom Schauwert, schlechtere Charakteristika auf als normale Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Die Kosten-Degression muss tatsächlich noch stärker werden, damit sich bis 2020 noch etwas abspielt, was auch nur in den Bereich einer Million kommt.

Bestandsentwicklung Elektroautos

MMEM-Forschungsergebnisse: Bestand nach Technologien bis 2050 - Bild: MMEM/Dr. Jens Weinmann
 

MMEM ist angetreten, um wertvolle Entscheidungshilfen zur zukünftigen politischen Planung im Bereich Elektromobilität zu geben. Ist Ihnen dies gelungen? Welche konkreten Ergebnisse konnten die politische Planung befruchten bzw. hätten Eingang in den politischen Prozess finden können?

 

Wir haben eine ganze Reihe von Politikinstrumenten untersucht, auch solche, die diskutiert und bisher abgelehnt wurden. Sehr erfolgreich könnte eine Kaufprämie sein: Nach unseren Berechnungen - wir haben einen Kaufanreiz von 2.000 € zugrunde gelegt - würde diese Maßnahme zum Absatz von zusätzlichen 200.000 Elektrofahrzeugen bis 2020 führen – allerdings auch mit den entsprechenden Kosten. Ein anderes interessantes System, das in Frankreich unter Sarkozy implementiert wurde, ist das Bonus-Malus-System: Das sieht vor, dass besonders sparsame Fahrzeuge und Elektroautos mit zusätzlichen Kaufanreizen ausgestattet werden, während die Käufer von großen "Spritschluckern" Strafzahlungen erwartet. Das ist ein Umverteilungssystem. Das würde funktionieren, nur ist es industriepolitisch in Deutschland schwer durchzusetzen, da wir hier die Premiumhersteller haben, die damit bestraft würden. Zudem haben wir noch Flottenkäufe durch die öffentliche Hand abgeschätzt, wobei das schwierig ist, weil diese Käufe stark variieren. Was wenig helfen würde, wäre der Versuch, über vergünstigte Stromtarife den Absatz anzukurbeln. Hier hat unser Modell errechnet, dass bspw. bei einem Ladestrompreis von 15 Cent nur 90.000 Elektrofahrzeuge mehr als beim Referenzszenario auf die Straße kämen. Die Elektroautos verbrauchen sowieso nicht so viel Strom, daher ist das laut unserem Modell ein vergleichsweise ineffizientes Mittel. Die teilweise schon in Angriff genommenen Maßnahmen, die die Dienstwagenbesteuerung und Sonderabschreibungen betreffen, helfen insofern, da ungefähr die Hälfte aller Neuzulassungen in Deutschland Dienstwagen sind, die dann relativ schnell in den privaten Markt überführt werden. Aber viel mehr Fahrzeuge bekommt man damit auch nicht, wir haben für diesen Bereich im Vergleich zum Referenzszenario ein Plus von 40.000 Elektroautos errechnet. Aber es handelt sich um eine relativ kostengünstige Maßnahme.

Dann gibt es noch eine Reihe von non-monetären Maßnahmen, z.B. die Nutzung von Busspuren oder Parken im öffentlichen Raum, die konnten aber nur sehr ungefähr und indirekt abgeschätzt werden und führten nur zu unwesentlichen Verbesserungen.

Die Instrumente, die am besten wirken würden, wären unserem Modell nach das Bonus-Malus-System und die Kaufprämie.

 

Wie erklären Sie sich, dass die Kaufprämie bei der Politik bzw. in der Regierung immer noch auf Ablehnung stößt?

 

Zum Zeitpunkt der Studie lag dies m.E. daran, dass die Abwrackprämie ein großer Erfolg wurde und zu viele Leute sie in Anspruch nahmen. In dieser Zeit war die Politik noch von der "negativen Publicity" der Abwrackprämie geprägt. Der andere Grund ist ein industriepolitischer, da zum damaligen Zeitpunkt kein deutscher Hersteller ein massentaugliches Elektroauto verkauft hat, was unter eine solche Kaufprämie gefallen wäre, so dass das ganze Geld an Unternehmen aus anderen Ländern geflossen wäre. Deutschland hat ja über die Nationale Plattform Elektromobilität den Anspruch formuliert, Leitmarkt und -anbieter zu sein. Leitmarkt hätte man damit werden können, aber nicht Leitanbieter.

 

Aber die Situation ändert sich ja gerade: Einige deutsche Hersteller haben schon und bringen noch in diesem Jahr Elektroautos auf den Markt. Rechnen Sie damit, dass die Diskussion um die Kaufprämie bald Früchte trägt?

 

So wie ich Frau Merkel bisher immer verstanden habe, ist das eher unwahrscheinlich. Es ist ja auch die Frage, was denn die Erreichung des Ziels von einer Million Elektrofahrzeuge bis 2020 für einen Nutzen darstellt. Das ist erst einmal eine Zahl, die im Rahmen der allgemeineren Planung der Emissionsreduktion bis 2050 ein Etappenziel darstellt. Wenn die Millionenmarke erst 2022 oder 2023 erreicht wird, ist dies wahrscheinlich auch etwas, womit man leben kann. Als Politikziel ist es wahrscheinlich wichtig, aber aus Umweltschutzgründen ist es meiner Meinung nach nicht so relevant, ob die Millionenmarke erst zwei, drei Jahre später erreicht wird.

 

In welchem Rahmen wurden die Projektergebnisse damals präsentiert. Wissen Sie, ob die Studie Einfluss auf die politische Planung genommen hat?

 

Wir haben Sie dem Bundesumweltministerium präsentiert und hatten damals das Glück, dass unser ehemaliger Präsident Lars-Hendrik Röller auch gleichzeitig Co-Vorsitzender einer der Arbeitsgruppen der Nationalen Plattform Elektromobilität war. Das heißt, wir hatten auch direkten Kontakt mit Vertretern aus der Industrie, wie Automobilherstellern, Energieversorgern usw., und konnten am politischen Prozess indirekt ein wenig mitwirken, indem wir uns mit diesen Leuten unterhalten haben. Aber grundsätzlich war es so, dass das Projekt abgeschlossen wurde und die Ergebnisse dem Umweltministerium geliefert wurden, das dann intern entschied, was es mit der Studie anfing. Da die Projektgruppe dann aufgelöst war, konnten wir dies nicht weiterverfolgen.

 

Ihrer Meinung nach stellen Kaufanreize nach wie vor die entscheidenden Maßnahmen dar, die die Etablierung der Elektromobilität voranbrächten – spielen denn andere Mittel wie der Ausbau der Ladeinfrastruktur eine so geringe Rolle?

 

Ja. Die Ladeinfrastruktur spielt zwar auch eine Rolle, aber keine besonders große. Vor allen Dingen weil die Ladeinfrastruktur nur für die rein elektrischen Fahrzeuge relevant ist, die in unserem Modell sowieso nicht besonders populär sind. Damit erhöht sich vielleicht der marginale Anteil der reinen batterieelektrischen Fahrzeuge, der Gesamtanteil an Fahrzeugen mit Elektroantrieben verändert sich dadurch aber nicht wesentlich. Range-Extender und Plug-in-Hybride sind davon unabhängig, sie können auf das bestehende Tankstellennetz zurückgreifen.

 

Eine persönliche Frage am Schluß: Fahren Sie selbst ein Elektroauto?

 

Nein. Ich habe zwar schon ein paar Male in einem Elektroauto gesessen, aber ich selbst fahre kein Auto. Ich bin Mitglied in einem Carsharing-Verein, fahre aber meistens Fahrrad oder nutze die öffentlichen Verkehrsmittel. Vielleicht sollte abschließend noch bemerkt werden, dass das Elektroauto sicherlich die Umwelt etwas weniger belastet als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, am Paradigma des motorisierten Individualverkehrs ändert es aber nichts.

Natürlich sind die reinen batterieelektrischen Fahrzeugeemissionsfrei, wenn man die Tailpipe Emissionen, also den direkten Auspuffausstoß betrachtet. Aber der geladene Strom muss ja auch irgendwo herkommen, und unser Erzeugungspark ist nach wie vor fossil geprägt. Diese sogenannten Non-Tailpipe-Emissionen, die im Kraftwerk erzeugt werden, sind gar nicht so viel geringer als das, was ein normales Fahrzeug mit Verbrennungsmotor ausstoßen würde. Zumindest war das zum Zeitpunkt der Studie so. Angesichts des mittlerweile schnelleren Ausbaus erneuerbarer Energie ist dies also ein eher konservatives Szenario. Und bei den beworbenen Ökostrom-Abonnements der Ladesäulenbetreiber oder Automobilhersteller handelt es sich meist um Finanztransaktionen: Der Strom, der ins Elektroauto fließt kommt ja i.d.R. trotzdem aus dem nahegelegenen Braunkohlekraftwerk. Die eingespeiste Kilowattstunde wird irgendwo anders tatsächlich als Ökostrom produziert, in einer Biomasse-, Photovoltaik-, Windkraft- oder Wasserkraftanlage bspw. in Norwegen. Die Frage ist, ob dabei nicht sowieso schon vorhandene erneuerbare Kapazitäten aufgekauft werden oder ob das Geld in neu zu errichtende Anlagen gesteckt wird. Und eigentlich kann man nur im letzten Fall von reinem Ökostrom sprechen. Denn im ersten Fall wird man wahrscheinlich nur einen anderen Abnehmer des Stroms aus dem norwegischen Wasserkraftwerk verdrängen, der dann womöglich wieder auf fossile Energie zurück greift. Es lohnt sich schon zu fragen, ob der angepriesene Ökostrom aus Wasserkraftwerken stammt, die seit 100 Jahren am Neckar oder in Norwegen stehen oder tatsächlich aus neuen Anlagen.

Im urbanen Umfeld sind also ganzheitliche Lösungen, die Carsharing, Fahrrad und ÖPNV beinhalten, vorzuziehen. Aber an der Dominanz des motorisierten Individualverkehrs wird sich in Deutschland wohl auf absehbare Zeit nichts ändern. Das Auto bleibt immer noch des Deutschen liebstes Kind.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter www.mmem.eu