Interview mit Markus Schümann, Geschäftsführer der Stadtwerke Uelzen
Die Hansestadt Uelzen hat neben Normalladern in den vergangenen Monaten 10 High Power Charger mit einer Ladeleistung von 150 kW aufgestellt und, gespeist aus 100 Prozent Ökostrom, in Betrieb genommen. Damit hat die südöstlich von Hamburg gelegene Kreisstadt nach eigenen Angaben nicht nur die höchste Dichte an High Power Chargern in Niedersachsen, sondern auch in ganz Deutschland – Stand Dezember 2018 gab es bundesweit erst 92 Schnellladestationen dieses Typs. Grund genug, sich beim Geschäftsführer der Stadtwerke Uelzen, Markus Schümann, nach den Gründen für den ambitionierten Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos zu erkundigen.
emobilitaet.online: Herr Schümann, wissen Sie, wie viele Elektroautos in Uelzen registriert sind?
Markus Schümann: Im Landkreis Uelzen waren im Januar 2019 70 reine Elektroautos zugelassen und 271 Hybridfahrzeuge. Zum Vergleich: Im Oktober 2018 fuhren in diesem Gebiet 61 Elektroautos und 258 Hybridfahrzeuge.
Was treibt Uelzen an, eine solche Dichte an Ultra-Schnellladestationen für die Elektroauto-Fahrer der Region zur Verfügung zu stellen? Sind noch weitere geplant?
Markus Schümann: Als regionaler Energiedienstleister sehen wir uns in einer großen Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sowie dem Klima- und Ressourcenschutz. Wir stellen uns daher zielgerichtet den Herausforderungen der E-Mobilität, um die Lebensqualität für die Uelzener Bürger stetig zu verbessern. Eine ausgebaute Ladeinfrastruktur bietet in diesem Punkt einen wichtigen Anreiz für einen Umstieg auf ein Elektrofahrzeug. Prognosen zufolge wird die Anzahl der Elektroautos im ländlichen Raum in den nächsten Jahren stark steigen, daher halten wir diesen Schritt für unerlässlich. Weitere Schnell-Ladesäulen sind derzeit nicht geplant.
Wir sehen hier auch die Chance regenerative Energien in das Thema Mobilität einzubinden und diese Themen so miteinander zu verbinden. Der gesellschaftliche Wandel unterliegt starken Veränderungsprozessen. Die heutige Generation wächst in einem ganz anderen Selbstverständnis mit den Themen digitaler Vernetzung, Mobilität und Klima auf – und wir versuchen diesen Veränderungen Rechenschaft zu tragen.
Sind alle 10 Schnelllader über das Stadtgebiet verteilt oder wurden diese gebündelt an wenigen Standorten aufgestellt? Nach welchen Kriterien wurden die Standorte ausgewählt?
Markus Schümann: Als oberstes Ziel stand die Komplettabdeckung des Stadtgebietes Uelzen. Aufgrund der höheren Nutzdichte befinden sich im Kerngebiet Hansestadt Uelzen mehrere Ladestationen, weitere sind in strategisch günstigen Stadtteilen platziert. Uns war wichtig, insbesondere die Ortsteile um die Kernstadt mit einer Ladesäule auszurüsten, denn dort spielt das Thema Mobilität eine übergeordnete Rolle. Daher haben wir unsere Hansestadt in ein Cluster aufgeteilt und weitere 5 Standorte nach Erreichbarkeit, Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung, technische Anschlussmöglichkeit und Lage an den Durchfahrtstraßen, ermittelt.
Zudem haben etwa 40 Prozent der Einwohner Uelzens keine Möglichkeit eine eigene Wallbox zuhause zu installieren – eine öffentliche Ladeinfrastruktur bietet hier eine gute Alternative.
Zu der Wahl der Standorte gab es bisher ausschließlich positives Feedback.
Wird der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur auch von weiteren Maßnahmen flankiert, die die Ausbreitung der Elektromobilität in der Kommune begünstigen sollen?
Markus Schümann: Aktuell entwickeln wir Produkte rund um das Thema Wallbox inklusive eines „Rundum Sorglos Paketes“ für unsere Kunden, in dem sie einen eigenen Stromtarif, Wartung, Service etc. aus einer Hand bekommen. Des Weiteren sind Konzepte in Arbeit, die eine Umstellung des öffentlichen Nahverkehrsnetzes in Uelzen auf Elektromobilität beinhalten. Dies ist für 2022 in Planung.
Wie steht es um den städtischen Fuhrpark? Geht die Stadt mit gutem Beispiel voran?
Markus Schümann: Wir untersuchen gerade eine mögliche Umstellung des öffentlichen Nahverkehrs auf Elektrofahrzeuge. Was den städtischen Fuhrpark angeht, obliegt die Entscheidung der Stadt Uelzen. Je nach Verfügbarkeit und Bedarf wird hier entschieden.
Mehr können wir aktuell leider nicht dazu sagen.
Vielfach wird der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur gefordert, der als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Ausbreitung von Elektroautos gesehen wird. In dieser Hinsicht nimmt Uelzen eine Vorreiterrolle ein. Was würden Sie anderen Stadtwerken und Kommunen mit auf den Weg geben, die bei der Elektromobilität noch eine zögerliche Haltung einnehmen oder das Kostenargument ins Feld führen?
Markus Schümann: In erster Linie geht es darum, seine Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt ernst zu nehmen. Alle Einwohner sollten frei wählen können, ob sie auf Elektromobilität umsteigen möchten – und mit einer gut ausgebauten öffentlichen sowie privaten Ladeinfrastruktur bieten wir eine entsprechende Grundlage und die Möglichkeit dazu.
Klimaschutz beginnt aus unserer Branchensicht primär bei der Produktion von Energie. Daher sehen wir als wichtigste Voraussetzung für eine Umstellung auf E-Mobilität die Möglichkeit auch alle Ladesäulen mit regenerativer Energie speisen zu können. Dafür treiben wir den Ausbau u. a. mit dem Projekt Trianel Windpark Borkum West II stetig voran.
Und die Bundespolitik? Welchen Handlungsbedarf sehen Sie vor dem Hintergrund Ihrer Praxiserfahrung?
Markus Schümann: Erst Ende März hat Verkehrsminister Andreas Scheuer eine Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt gefordert, um u. a. auch die Einrichtung privater Ladestationen verstärkt zu fördern. Wenn wir davon ausgehen, dass das Laden künftig zu 75 – 85 Prozent zuhause stattfinden wird, ist das ein guter Schritt in die richtige Richtung.
Doch wichtig ist vor allem ein konsequenter Umbau der Energieversorgung von fossilen Brennstoffen auf die rein erneuerbare Energieerzeugung. Der Handlungsbedarf liegt klar auf der Erzeugerseite. Nicht der kleinteilige Verzicht wird die Wende bringen, sondern die großen Treiber, wie beispielsweise die noch vielen aktiven Kohlekraftwerke müssen konsequent umgestellt werden. Ein gutes Beispiel ist Volkswagen, die eigenen Angaben zufolge ihre vier Steinkohlekraftwerke auf Erdgasbetrieb umstellen wollen.
In der Politik sollten darüber hinaus sinnvolle und ganzheitliche Rahmenbedingen entwickelt und umgesetzt werden. Ein Beispiel: Aktuell zahlen Erzeuger mit hohen CO2-Ausstößen eine geringere EEG Umlage (da sie als Industrie entlastet werden) als der normale Bürger. Das passt nicht zu den Zielen.