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Ausbaubedarf an sogenannten Road Side Units zur Gewährleistung vernetzer Verkehrssysteme
© IVM Institut für Vernetzte Mobilität gGmbH

Ausbaubedarf an sogenannten Road Side Units zur Gewährleistung vernetzer Verkehrssysteme

- Ein Gastbeitrag von Marco Rehme, IVM Institut für Vernetzte Mobilität gGmbH -

Eine unzureichende öffentliche Ladeinfrastruktur, zu hohe Anschaffungskosten und die mangelnde Wirtschaftlichkeit im privaten Bereich, eine geringe Modellvielfalt, das Reichweitenproblem sowie Zweifel an der Alltagstauglichkeit − die Hemmnisse für einen raschen Markthochlauf der Elektromobilität sind hinreichend bekannt.

Diese Hürden wurden und werden durch Bemühungen der Industrie sowie in Förderprogrammen, wie z. B. zwischen 2012 und 2016 in den vier Schaufensterregionen,  adressiert. Sie sind aber heute noch weit davon entfernt, gänzlich überwunden zu sein.

Parallel zur Elektrifizierung der Antriebsstränge vollzieht sich jedoch ein weiterer Technologietrend im Mobilitätssektor, der noch viel weitreichendere Folgen für die Lebens- und Arbeitswelt nach sich ziehen wird: Die zunehmende informationstechnische Vernetzung und Automatisierung von Fahrzeugen und ganzen Verkehrssystemen. Im Forschungsprojekt VEReMO − Perspektiven der Vernetzten eMobilität beschäftigte sich das IVM Institut für Vernetzte Mobilität unter dem Dach des Schaufensters Bayern-Sachsen ELEKTROMOBILITÄT VERBINDET über einen Zeitraum von ca. anderthalb Jahren dezidiert mit den Interdependenzen zwischen beiden Entwicklungen. Eine Grunderkenntnis aus dem Projekt lautet, dass beide Trends ihre gesamtgesellschaftlichen Potenziale nur kombiniert entfalten können. Dabei sticht vor allem eine Wirkungsrichtung hervor: Vernetzung und Automatisierung befördern die Elektromobilität und können ihr zum ersehnten Durchbruch in den Massenmarkt verhelfen.

Perspektiven der Vernetzten eMobilität

 

Einige zentrale Ergebnisse des VEReMO-Projektes verdeutlichen die Zusammenhänge der Elektromobilität mit den Themen Vernetzung und Automatisierung. Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Projektes war die Suche nach Geschäftsmodellen für zwei erfolgskritische und zugleich problembehaftete Kernelemente einer elektromobilen Zukunft, und zwar für den wirtschaftlichen Betrieb öffentlicher Ladeinfrastruktur und für die breite Nutzung von Elektrofahrzeugen in intermodalen Reiseketten und multimodalen Mobilitätsangeboten. Auf der Basis von Interviews und Workshops mit Experten verschiedener Branchen wurden für diese Themen insgesamt mehr als 60 Ideen für tragfähige Geschäftsmodelle identifiziert, beschrieben und hinsichtlich ihrer Potenziale bewertet.

Dabei zeigte sich, dass Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Automatisierungslösungen unabdingbar für Erfolg versprechende Mobilitätskonzepte sind. Sie sind Schlüsselressourcen, um Systemkosten zu reduzieren, attraktive Leistungsbündel zu schnüren, Transport- und Beförderungsleistungen sowie deren Vermittlung zu verbessern und um innovative Finanzierungs- und Vertriebsmodelle zu ermöglichen. Erfolgreiche Geschäftsmodelle der Mobilitätswende sind digital, systemisch und zugleich auch disruptiv.

Dieser disruptive Charakter setzt sich auch in den volkswirtschaftlichen Auswirkungen des korrespondierenden Strukturwandels fort, welche mit einem Betrachtungshorizont bis 2035 ebenfalls Untersuchungsgegenstand von VEReMO waren. Insbesondere die nationalen und internationalen Zentren der Automobilindustrie werden erheblich von der Elektrifizierung, Automatisierung und Vernetzung betroffen sein. Die Herausbildung neuer (und der Wegfall bestehender) Marktrollen ist mit erheblichen Chancen, aber auch Risiken für existierende Marktakteure und Neueinsteiger verbunden. Wie am Beispiel des „Automobillandes“ Sachsen aufgezeigt, kann ein solcher Strukturwandel in Summe zu positiven Beschäftigungseffekten führen (Prognose: bis zu 18.000 neue Arbeitsplätze).

Jedoch ist in wichtigen Teilsegmenten des Mobilitätssektors auch mit beträchtlichen Arbeitsplatzverlusten zu rechnen. Davon ist neben den Beschäftigten einiger klassischer Automobilzulieferer und im Downstream tätiger Unternehmen (Service, Handel, Wartung etc.) perspektivisch auch das Fahrdienstpersonal im Güter- und Personenverkehr betroffen. Die komplementäre Natur der verschiedenen Technologietrends sorgt dabei dafür, dass sich teilweise entgegenwirkende Beschäftigungseffekte überlagern und freigesetzte Arbeitskräfte in neu entstehenden Geschäftsfeldern absorbiert werden. Dies wird jedoch mit großen Kompetenzentwicklungs- und Anpassungsanstrengungen verbunden sein.

Ein weiterer Schwerpunkt von VEReMO lag in der Analyse der Potenziale und Anforderungen einer künftigen „Verkehrsinfrastruktur 2.0“. Die Projektergebnisse legen nahe, dass Verkehrspolitik zunehmend weniger stark den alleinigen Erhalt und den Ausbau von Verkehrstrassen, als vielmehr die Schaffung integrierter Infrastrukturgefüge, also die enge Verflechtung von Kommunikations- und Elektrizitätsnetzen mit den Verkehrswegen und -anlagen, bedeuten wird. Neben der Verfügbarkeit von Ladepunkten sind Kommunikation und Kooperation zwischen Fahrzeugen und der Infrastruktur eine wichtige Voraussetzung für eine komfortable mono- oder multimodale Nutzung von Elektrofahrzeugen und zugleich für automatisiertes Fahren in höheren Entwicklungsstufen. Anhand verschiedener Anwendungsszenarien wurden die Anforderungen an künftige Technologien der Ortung und Drahtloskommunikation (hohen Datenraten, hohe Verfügbarkeit und niedrige Latenz) genauer untersucht.

Um die verheißungsvollen Gesamtpotenziale elektrifizierter und vernetzter Fahrzeuge für die Sicherheit, die Effizienz, die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit und die Bequemlichkeit des Verkehrs in einem nennenswerten Ausmaß auszuschöpfen, bedarf es grundsätzlich großer Investitionen in die Aufrüstung der Verkehrsnetze. Wie die im Rahmen des Projektes angestellten Verkehrssimulationen und Modellrechnungen zeigten, reicht jedoch für die bevorstehenden und bis 2020 eher evolutionären Entwicklungen bei einer gezielten und bedarfsgerechten Platzierung von Systemelementen schon ein vergleichsweise überschaubarer Hardware-Rollout aus, um signifikante Verbesserungen der Verkehrsflüsse und eine ausreichende Versorgung mit öffentlichen Ladepunkten zu erreichen. Konkret wurde am Beispiel des sächsischen Autobahnnetzes ein Ausrüstungsbedarf von 184 Road-Side-Units (RSUs) sowie − in Abhängigkeit der Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen − 45 bis 84 Schnelladepunkten ermittelt.

Was ist zu tun?

 

Bei allen technologischen Entwicklungen im Bereich der Mobilität sind die zukünftigen Anwender und ihr Nutzen sowie die gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Der Strukturwandel, welcher aus den technologischen Umbrüchen resultiert, darf nicht passiv hingenommen werden, sondern muss aktiv durch die Politik begleitet und gestaltet werden. Um diesen Gestaltungsprozess zu unterstützen, wurden im Projekt VEReMO aus den Forschungsergebnissen zwölf Empfehlungen in den Handlungsfeldern Infrastruktur, Recht und Gesellschaft, Forschungsförderung und Wissenstransfer sowie Wertschöpfung und Innovation erarbeitet. Speziell soll an dieser Stelle auf die Forderungen nach einem gezielten Ausbau multimodaler Drehkreuze, der Verkehrstelematik, der öffentlichen Ladeinfrastruktur und der Breitbandnetze sowie nach der Schaffung von Freiluftlaboren und Wertschöpfungsclustern für relevante Zukunftstechnologien verwiesen werden. Mit der Wahrnehmung einer aktiven Rolle bei den bevorstehenden Umgestaltungsprozessen stimmen die außerordentlichen Entwicklungspotenziale digitaler Technologien zuversichtlich − auch mit Blick auf die Antriebswende zur Elektromobilität. Die Zukunft der Mobilität wird vernetzt und automatisiert und elektrisch sein.

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