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Führende Verkehrswissenschaftler kritisieren, dass insbesondere Fahrzeuge mit hohem Energieverbrauch auf Elektroantriebe umgestellt werden.
By Musicbox68 (Own work)/CC0, via Wikimedia Commons.

Führende Verkehrswissenschaftler kritisieren, dass insbesondere Fahrzeuge mit hohem Energieverbrauch auf Elektroantriebe umgestellt werden.

Der verstärkte Einsatz von Elektrofahrzeugen kann positive Auswirkungen auf die Klimabilanz haben, dies ist unbestritten. Allerdings sollten Umweltpotentiale der Elektromobilität realistisch eingeschätzt werden. Genau dies fordern emeritierte Verkehrsprofessoren aus dem deutschsprachigen Raum, die kürzlich zu einem jährlich stattfindenden Fach- und Erfahrungsaustausch in Fulda zusammenkamen, um über die Verkehrswende zu diskutieren. Bei der Diskussion um die Etablierung elektromobiler Infrastrukturen würde bisher der Gesamtzusammenhang zwischen städtischen und regionalen Verkehrs- sowie Siedlungssystemen nur unzureichend berücksichtigt, so die Meinung der Wissenschaftler.

In einer gemeinsamen Erklärung, die unter anderem in der Zeit veröffentlicht wurde, verweisen die Professoren auf viele ungelöste technische Probleme, die einer flächendeckenden Durchsetzung von E-Mobilität im Wege stehen und bei lokalen Umsetzungen noch nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt sind. Bei der Diskussion um E-Fahrzeuge könne man den Eindruck gewinnen, dass die "Gesetzmäßigkeiten der Physik außer Acht gelassen" würden, heißt es in dem Dokument. Oft würde vergessen, dass für Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Energie ebenfalls Energieressourcen benötigt und damit CO2-Aufwände verursacht würden. Zudem sei es insbesondere in kalten Winternächten fraglich, ob ausreichend Energie bereitgestellt werden könne, damit alle Einwohner der Stadt ihr Elektroauto über Nacht aufladen könnten. Die extremen Spitzen im Verkehrsaufkommen und damit in der Nachfrage nach Strom könnten in Zukunft nur schwerlich abgedeckt werden. In jedem Fall sei ein umfassender Netzausbau notwendig, um ausreichende Versorgung zu gewährleisten.

Die Verkehrsforscher betonen, dass auch die E-Fahrzeuge selbst nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hätten, die allgemeine Vorstellung der lokal emissionsfreien Fahrzeuge sei dabei ein weit verbreiteter Irrtum. So entstehen Feinstaubbelastungen, unter denen viele Städte in Deutschland leiden, zu einem großen Teil nicht durch Motoren, sondern unter anderem durch Verschleiß von Fahrbahn und Reifen. Die Verkehrswissenschaftler sehen es daher auch kritisch, dass die Beschleunigung von Elektroautos stets nur als Vorteil gewertet wird ("toller Fahrspaß"). Schnelles Anfahren koste viel Energie und sei vor allem für Fußgänger sowie Radfahrer besonders gefährlich. Eine Begrenzung der Beschleunigung sei technisch unproblematisch und daher in jedem Falle zu befürworten. Darüber hinaus fordern die Teilnehmer der Fachtagung eine Begrenzung, zumindest aber eine Besteuerung von Größe und Gewicht von Personenfahrzeugen. Aktuell würden für Automobilhersteller falsche politische Anreize zur Reduktion ihres "Flottenverbrauchs" gesetzt, sodass die Anbieter insbesondere schwere Fahrzeuge mit hohem Energiebedarf (zum Beispiel SUVs) verstärkt auf Elektro- oder Hybridantriebe umstellen würden.

Insgesamt sei ein verstärkter Einsatz von Elektrofahrzeugen im Personen- und Güterverkehr aufgrund der verfolgten Klimaschutzziele sowie neuer technischer Möglichkeiten für die Zukunft absehbar. Allerdings sollten zur Lösung der Verkehrs- und Umweltprobleme rechtzeitig geeignete politische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Neben der Reduktion von Gewicht, Beschleunigung und Geschwindigkeiten von E-Fahrzeugen sollten weitere Initiativen Anreize setzen, um Fahrleistungen und damit Energiebedarfe zu senken. Unbedingt sei eine Debatte über eine alternative Verkehrsinfrastrukturplanung mit besseren Konzepten für Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV anzustoßen. Eine intensive Beteiligung der Kommunen, der Zivilgesellschaft sowie von Politik und Verwaltung sei dabei zwingend erforderlich.

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