Als ersten Standort in China hat Car2Go sein Carsharing-Modell in der Großstadt Chongqing etabliert. Allerdings ist die Konkurrenz für das Angebot des deutschen Autoherstellers Daimler vor Ort durch lokale Mitbewerber groß. Carsharing bietet am Standort im Zentrum Chinas, im Gegensatz zum Fahrrad, eine wichtige Mobilitätsalternative zum privaten Auto. Das Land erlebt zwar aktuell einen regelrechten Boom auf Leihfahrräder, allerdings ist Chongqing auf sehr hügeligem Untergrund gebaut und verfügt daher über sehr steile Straßen. Das Potential zum Teilen von Autos in der "Stadt der Berge" hat Car2Go daher erkannt und inzwischen eine Flotte von 7.000 Fahrzeugen aufgebaut.
Wie auch an anderen Standorten in Europa und Nordamerika bietet Car2Go in China ein Carsharing auf Free Floating Basis an. Der mit anderen Nutzern geteilte Smart, der Platz für zwei Personen bietet und aktuell mit Verbrennungsmotor ausgestattet ist, darf somit auf allen Parkflächen in der 28 Millionen Einwohner Metropole platziert werden. Die Nutzer können den nächstgelegenen Wagen per Smartphone orten und nach Beendigung der Fahrt entweder auf speziellen Car2Go Stellflächen oder kostenfreien Parkplätzen abstellen. Die Kosten von umgerechnet 16 Cent pro Kilometer und acht Cent pro Minute wirken aus deutscher Perspektive auf den ersten Blick zwar günstig, liegen aber weit oberhalb der Preise für vergleichbare Angebote von chinesischen Betreibern. Auch der Smart selbst ist mit umgerechnet 17.600 Euro auf dem chinesischen Markt deutlich teurer als vergleichbare lokale Produkte. Dennoch hat sich das Sharing-Produkt mit durchschlagendem Erfolg am Markt platziert: Innerhalb von nur einem Jahr haben sich in China 180.000 Nutzer registriert. Chongqing ist damit bereits jetzt zum größten Einzelstandort von Car2Go geworden, wie der Konzern kürzlich mitteilte.
Eines der größten Angebote im Bereich Carsharing vor Ort ist Pand Auto, welches von dem in Chongqing ansässigen Fahrzeughersteller Lifan betrieben wird. Der im November 2015 gestartete Service ist organisiert mit festen Stellplätzen an aktuell etwa 200 Haltepunkten. Zum Einsatz kommt ein reines Elektroauto: Der Lifan 330 EV bietet insgesamt fünf Personen Platz und ist damit deutlich geräumiger als ein Smart. Um lange Ladezeiten zu vermeiden und eine hohe Laufleistung zu gewährleisten, erfolgt anstatt einer Aufladung an der Stromtankstelle ein Batterietausch, wie es unter anderem die Stadt Peking im Taxibetrieb bereits erfolgreich umgesetzt hat. Die Betreiber versprechen sich dadurch eine höhere Laufleistung sowie eine stärkere Fluktuation der Pkws. Der Lifan 330 EV, der aktuell eine 3.000 starke E-Carsharing Flotte in Chongqing bildet, verspricht eine Reichweite von 150 Kilometern und ist in China schon für umgerechnet 6.760 Euro erhältlich. Die Nutzungsgebühr des Angebotes liegt bei lediglich umgerechnet 2,50 Euro pro Stunde. Legt ein Kunde bei Car2Go 20 Kilometer in 60 Minuten zurück, zahlt er dort etwa das Dreifache.
Neben den günstigeren Anschaffungs- bzw. Haltungskosten bietet Pand Auto noch einige weitere Vorteile. Wie viele andere Riesenstädte in China hat auch Chongqing sehr stark mit erhöhtem Verkehrsaufkommen zu kämpfen. Es stehen daher im Zentrum kaum Parkmöglichkeiten für Car2Go Fahrzeuge zur Verfügung. Sollte der Nutzer doch eine Abstellmöglichkeit finden, ist diese häufig gebührenpflichtig. Die Kosten trägt dann der darauffolgende Fahrer des Autos, was den Preis der Nutzung des Daimler-Angebotes deutlich erhöhen kann. Die Pkws werden daher häufig weit entfernt vom Zentrum geparkt, sodass bei kurzfristigem Bedarf oft kein Smart bereitsteht. Beim Angebot von Pand Auto ist der Kunde allerdings auch weniger flexibel als bei Car2Go, da er sein Fahrzeug zu einer genauen Uhrzeit wieder an einer festgelegten Station zurückgeben muss und die Rückgabe somit mehr Zeit in Anspruch nimmt. Dennoch sind die Strom betriebenen Pkws meist gut auffindbar und es ergeben sich, insbesondere in Stoßzeiten, keine Probleme mit der Parkplatzsuche. Die Stationen wurden mit hinreichender ÖPNV-Anbindung strategisch in der Innenstadt, an Hochschulen oder Shoppingmalls geplant.
Es kann aber trotzdem vorkommen, dass der Zielpunkt der Fahrt zwei Kilometer von der nächsten Abstellmöglichkeit entfernt liegt. Dies ist besonders ungünstig, wenn die Kunden schnell ihre Einkäufe nach Hause bringen und den Umstieg auf ein anderes Verkehrsmittel vermeiden wollen. Zudem steht Pand Auto zeitweise in der Kritik, weil die E-Autos aufgrund des Batterietauschverfahrens beim Starten teilweise einen sehr geringen Akkustand aufweisen. Bei nur noch 60 Prozent der Batteriekapazität können die Nutzer nur ein kurzes Stück bis zu einer der nächsten Stationen fahren, um das Fahrzeug zu wechseln. Vereinzelt sind auch Elektroautos bereits liegengeblieben, was bei der anspruchsvollen Topographie von Chongqing nicht unbedingt für Verwunderung sorgen dürfte.
Während in China bereits viele Mitfahrbörsen wie beispielsweise Didi zur Verfügung stehen, steckt die Entwicklung des Carsharing Marktes aktuell noch in den Kinderschuhen. Ein Grund dafür ist das deutlich erhöhte Verkehrsaufkommen in Innenstädten, das keinen Raum für weitere Pkw-Parkflächen bietet. Darüber hinaus bestehen beim Carsharing höhere Markteinstiegsbarrieren als bei den vielerorts bereits stark nachgefragten Modellen für das Teilen von Fahrrädern. Neben dem gesteigerten Anschaffungswert müssen die Betreiber auch für Kraftstoffe (Benzin bzw. Strom), Parkplätze oder Versicherung aufkommen. Da in China häufig Leihfahrzeugsysteme inklusive Fahrer bevorzugt werden, fallen zudem erhöhte Personalkosten an. Die Roland Berger Unternehmens- und Strategieberatung hat zum Thema kürzlich eine Studie mit dem Titel "Wie Carsharing in China erfolgreich sein kann" herausgegeben. Die Autoren gehen davon aus, dass die Anzahl der mit anderen Nutzern geteilten Autos im kommenden Jahrzent um bis zu 45 Prozent jährlich ansteigen werden. Bis 2025 sollen auf den Straßen im Reich der Mitte bereits 600.000 Carsharing Fahrzeuge unterwegs sein.
Car2Go ist inzwischen in neun Ländern sowie in 28 Städten bzw. Regionen, in Deutschland unter anderem in Berlin, Stuttgart und dem Rheinland, verfügbar.